Ökologischer Fussabdruck, Klimaerwärmung oder Ernährung: Unser Verhältnis zur Natur muss dringend neu gedacht werden! Um neuartige Lösungen für aktuelle Umwelt- und Sozialfragen zu entwickeln, erforschen Designerinnen, Wissenschaftler und Ingenieurinnen das verborgene Potenzial von Pflanzen und nutzen es als Inspirationsquelle. Die Ausstellung Plant Fever im Museum für Gestaltung Zürich zeigt dies anhand von rund 50 internationalen Projekten aus den Bereichen Produktdesign, Mode und neue Technologien.
Dualismus
Jahrhundertelang hat sich der Mensch daran gewöhnt, Pflanzen lediglich als Material und dekoratives Element zu verstehen. Da ihre Bewegungen so viel langsamer sind als diejenigen von Tieren, erscheinen sie uns regungslos und dazu verurteilt, als Hintergrundszenerie zu dienen. Aber es findet bereits vielerorts ein Umdenken statt! Aktuelle Debatten betreffen nicht nur eine nachhaltige Lebenseinstellung oder Veganismus, sie drehen sich auch konkret um die Frage der Intelligenz von Pflanzen oder deren Rechte. Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse und philosophische Betrachtungen legen nahe, dass wir Menschen unser Verhältnis zur Pflanzenwelt überdenken und den Dualismus von Mensch und Natur hinterfragen müssen. «Wir sollten versuchen, wie Pflanzen zu denken», so der amerikanische Ökologe Ian Baldwin, dessen Worte zahlreiche Designer, Wissenschaftlerinnen oder Menschen, die sich primär in der Welt der Technik bewegen, inspirieren. Sie betrachten Pflanzen neu als potenzielle Verbündete bei der Bewältigung aktueller und zukünftiger, umweltpolitischer wie gesellschaftlicher Probleme.
Perspektiven
Plant Fever betrachtet die Zukunft des Designs weniger aus einer menschen-, als aus einer pflanzenorientierten Perspektive. So ist die Vegetation nicht allein Ressource für Nahrung, Material oder Erholung, sondern sie spielt auch im Gestaltungsprozess mit. Die in der Ausstellung vertretenen Designerinnen und Designer befassen sich vertieft mit Strukturen und Verhaltensweisen in der Pflanzenwelt, um neuartige Lösungen zu entwickeln. Zu sehen ist etwa der aus Abfallprodukten der Ananas hergestellte Vliesstoff Piñatex ®, der in der Mode und neuerdings vermehrt auch als veganes Leder für Autositze Verwendung findet. Oder das Projekt Notweed Paper, das eine industrielle Papierherstellung aus dem japanischen Staudenknöterich anstrebt, einer Pflanze, die sich in Europa die unrühmliche Auszeichnung als hoch invasive Spezies gemacht hat. Ein Set aus 3-D-gedruckten Sex-Toys, die die Befruchtung von Pflanzen durch Insekten unterstützen, richtet das Augenmerk auf die vegetale Reproduktion. Sind Pflanzen eben doch intelligent, indem sie Probleme einfach auf ihre eigene Art lösen? Die Pflanzenneurobiologie hält hierzu überraschende Antworten bereit.
Dimensionen
Plant Fever ist eine Ausstellung mit politischer und gesellschaftlicher Dimension. Sie bezieht Position, wirft Fragen auf und fordert das Publikum zu einem
positiven und konstruktiven Gespräch auf. Der Diskurs findet nicht allein im Ausstellungsraum vor und mit den Exponaten statt, sondern er wird parallel dazu auch im Netz auf plantfever.com oder
Instagram (@plant__fever) geführt und mit einem Programm an Vorträgen und Workshops ergänzt. Die Ausstellung wurde von studio d-o-t-s konzipiert und am CID (Centre d’innovation et de design) –
Grand-Hornu in Belgien produziert. Das Kuratorenteam hat sich für Plant Fever mit grundlegenden Gedanken zur Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen auseinandergesetzt und dabei das Potenzial
von Pflanzen jenseits von deren Verwendung als Ressourcen oder Dekorationsobjekte untersucht. Weitere Informationen hier